Heinrich Heine                      Das projektierte Denkmal Goethes

1799 (?) – 1856                                   (Aus den Briefen aus Berlin)

 

 

Hört zu, ihr deutschen Männer, Mädchen, Frauen,

Und sammelt Subskribenten unverdrossen;

Die Bürger Frankfurt’s haben jetzt beschlossen,

Ein Ehrenmal Goethen zu erbauen.

 

„Zur Meßzeit wird der fremde Krämer schauen,“ –

So denken sie – „daß wir des Manns genossen,

Daß unserm Miste, solche Blum’ entsprossen,

Und blindlings wird man uns im Handel trauen.“

 

O laßt dem Dichter seine Lorberreiser,

Ihr Hanelsherrn! Behaltet euer Geld.

Ein Denkmal hat sich Goethe selbst gesetzt.

 

Im Windelnschmutz war er euch nah, doch jetzt

Trennt euch von Goethe eine ganze Welt,

Euch, die ein Füßlein trennt vom Sachsenhäuser!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      Die Nacht auf dem Drachenfels

1799 (?) – 1856                                   An Fritz v. B.

 

Um Mitternacht war schon die Burg erstiegen,

Der Holzstoß flammte auf am Fuß der Mauern,

Und wie die Burschen lustig niederkauern,

Erscholl das Lied von Deutschlands heilgen Siegen.

 

Wir tranken Deutschlands Wohl aus Rheinweinkrügen,

Wir sahn den Burggeist auf dem Turme lauern,

Viel dunkle Ritterschatten uns umschauern,

Viel Nebelfraun bei uns vorüberfliegen.

 

Und aus den Trümmern steigt ein tiefes Ächzen,

Es klirrt und rasselt, und die Eulen krächzen;

Dazwischen heult des Nordsturms Wutgebrause. –

 

Sieh nur, mein Freund, so eine Nacht durchwacht ich

Auf hohem Drachenfels, doch leider bracht ich

Den Schnupfen und den Husten mit nach Hause.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      Dresdener Poesie

1799 (?) – 1856

Zu Dresden, in der schönen Stadt der Elbe,

Wo’s gibt Tabak- und Stroh- und Versfabriken,

Erhebt sich, um die Köpfe zu berücken,

Ein Liederkränzlein und ein Liedgewölbe.

 

Ist nun mit Herrn und Frau’n besetzt dasselbe,

So lesen vor, Glut – Mut – Blut in den Blicken,

Herr Kuhn und Fräulein Nostiz – o Entzücken!

Ha! herrlich! Weg, Kritik, du fade, gelbe!

 

Am andern Tage steht es in der Zeitung,

Hell’s hellheit schwademt, Kind’s Kindheit ist kindisch.

Dazwischen kriecht das krit’sche Beiblatt hündisch.

 

Arnoldi sorgt für’s Geld und die Verbreitung,

Zuletzt kommt Böttger und macht Spektakel,

Die Abendzeitung sei das Weltorakel

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      Friederike

1799 (?) – 1856

 

I

 

Verlaß Berlin, mit seinem dicken Sande

Und dünnen Tee und überwitz’gen Leuten,

Die Gott und Welt, und was sie selbst bedeuten,

Begriffen längst mit Hegel’schem Verstande.

 

Komm mit nach Indien, nach dem Sonnenlande,

Wo Ambrablüten ihren Duft verbreiten,

Die Pilgerscharen nach dem Ganges schreiten

Andächtig und im weißen Festgewande.

 

Dort, wo die Palmen wehn, die Wellen blinken

Am heil’gen Ufer Lotosblumen ragen

Empor zu Jandra’s Burg, der ewig blauen,

 

Dort will ich gläubig vor dir niedersinken,

Und deine Füße drücken, und dir sagen:

Madame! Sie sind die schönste aller Frauen!

 

 

 

II

 

Der Ganges rauscht, mit klugen Augen schauen

Die Antilopen aus dem Laub, sie springen

Herbei mutwillig, ihre bunten Schwingen

Entfaltend wandeln stolzgespreizte Pfauen.

 

Tief aus dem Herzen der bestrahlten Auen

Blumengschlechter, viele neue, dringen,

Sehnsuchtsberauscht ertönt Kokila’s Singen –

Ja, du bist schön, du schönste aller Frauen!

 

Gott Kama lauscht aus allen deinen Zügen,

Er wohnt in deines Busens weißen Zelten,

Und haucht aus dir die lieblichsten Gesänge;

 

Ich sah Wassant auf deinen Lippen liegen,

In deinem Aug’ entdeckt’ ich neue Welten,

Und in der eignen Welt wird mir’s zu enge.

 

 

III

 

Der Ganges rauscht, der große Ganges schwillt,

Der Himalaya strahlt im Abendscheine,

Und aus der Nacht der Bananenhaine

Die Elefantenherde stürzt und brüllt –

 

Ein Bild! Ein Bild! Mein Pferd für’n gutes Bild!

Womit ich dich vergleiche, Schöne, Feine,

Dich Unvergleichliche, dich Gute, Reine,

Die mir das Herz mit heitrer Lust erfüllt!

 

Vergebens siehst du mich nach Bildern schweifen

Und siehst mich mit Gefühl und Reimen ringen, -

Und, ach! du lächelst gar ob meiner Qual!

 

Doch lächle nur! Denn wenn du lächelst, greifen

Gandarven nach der Zither, und sie singen

Dort oben in dem goldnen Sonnensaal.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      Sonettenkranz an A.W. von Schlegel

1799 (?) – 1856

 

I

 

Der schlimmste Wurm: des Zweifels Dolchgedanken,

Das schlimmste Gift: an eigner Kraft verzagen,

Das wollt’ mir fast des Lebens Mark zernagen;

Ich war in Reis, dem seine Stützen sanken.

 

Da möchtest du das arme Reis beklagen,

An deinem güt’gen Wort läßt du es ranken,

Und dir, mein hoher Meister, soll ichs danken,

wird einst das schwache Reislein Blüten tragen.

 

O mögst du’s ferner noch so sorgsam warten,

daß es als Baum einst zieren kann den Garten

der schönen Fee, die dich zum Liebling wählte.

 

Von jenem Garten meine Amm’ erzählte:

Dort lebt ein heimlich wundersüßes Klingen,

Die Blumen sprechen und die Bäume singen.

 

 

 

II

 

Im Reifrockputz, mit Blumen reich verzieret,

Schönpflästerchen auf den geschminkten Wangen,

Mit Schnabelschuhn, mit Stickerein behangen,

Mit Turmfrisur, und wespengleich geschnüret:

 

So war die Aftermuse ausstaffieret,

Als sie eins kam, dich liebend zu umfangen.

Du bist ihr aber aus em Weg gegangen,

Und irrtest fort, von dunklem Trieb geführet.

 

Da fandest Du ein Schloß in alter Wildnis,

und drinnen lag, wie’n holdes Marmorbildnis

die schönste Maid in Zauberschlaf versunken.

 

Doch wich der Zauber bald bei deinem Gruße,

Aufwachte lächelnd Deutschlands echte Muse

Und sank in deine Arme liebestrunken.

 

 

 

III

 

Zufrieden nicht mit deinem Eigentume,

Sollt’ noch des Rheines Niblungshort dich laben,

Nahmst du vom Themsestrand die Wundergaben,

Und pflücktest kühn des Tajo-Ufers Blume.

 

Der Tiber hast du manch Kleinod entgraben,

Die Seine mußte zollen deinem Ruhme, -

Du drangest gar zu Brahma’s Heiligtume,

Und wolltst auch Perlen aus dem Ganges haben.

 

Du geiz’ger Mann, ich rat dir, sei zufrieden

Mit dem, was selten Menschen ward beschieden,

Denk ans Verschwenden jetzt, statt ans Erwerben.

 

Und mit den Schätzen, die du ohn’ Ermüden

Zusammen hast geschleppt aus Nord und Süden,

Mach reich den Schüler jetzt, den lust’gen Erben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      Traumbilder

1799 (?) – 1856

 

III

 

Im nächt’gen Traum hab’ ich mich selbst geschaut,

In schwarzem Galafrack und seidner Weste,

Manschetten an der Hand, als gings zum Feste,

Und vor mir stand mein Liebchen, süß und traut.

 

Ich beugte mich und sagte: „Sind Sie Braut?

Ei! ei! so gratulier’ ich, meine Beste!“

Doch fast die Kehle mir zusammenpreßte

Der langgezogene, vornehm kalte Laut.

 

Und bittre Tränen plötzlich sich ergossen

Aus Liebchens Augen, und in Tränenwogen

Ist mir das holde Bildnis fast zerflossen.

 

O süße Augen, fromme Liebessterne,

Obschon ihr mir im Wachen oft gelogen,

Und auch im Traum, glaub’ ich euch dennoch gerne!

 

 

IV

 

Im Traum sah ich ein Männchen, klein und putzig,

Das ging auf Stelzen, Schritte ellenweit,

Trug weiße Wäsche und ein feines Kleid,

Inwendig aber war es grob und schmutzig.

 

Inwendig war es jämmerlich, nichtsnutzig,

Jedoch von außen voller Würdigkeit;

Von Kourage sprach es lang und breit,

und tat sogar recht trutzig und recht stutzig.

 

„Und weißt du wer das ist? Komm her und schau!“

So sprach der Traumgott, und er zeigt mir schlau

Die Bilderflut in eines Spiegels Rahmen.

 

Vor einem Altar stand das Männchen da,

Mein Lieb daneben, beide sprachen: „Ja!“

Und tausend Teufel riefen lachend: „Amen!“

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Heine                      Zum Lazarus

1799 (?) – 1856

 

XX

 

Mein Tag war heiter, glücklich meine Nacht.

Mir jauchzte stets mein Volk, wenn ich die Leier

Der Dichtkunst schlug. Mein Lied war Lust und Feuer.

Hat manche schöne Gluten angefacht.

 

Noch blüht mein Sommer, dennoch eingebracht

Hab’ ich die Ernte schon in meine Scheuer –

Und jetzt soll ich verlassen, was so teuer,

So lieb und teuer mir die Welt gemacht!“

 

Der Hand entsinkt das Saitenspiel. In Scherben

Zerbricht das Glas, das ich so fröhlich eben

An meine übermüt’gen Lippen preßte.

 

O Gott! wie häßlich bitter ist das Sterben!

O Gott! wie süß und traulich läßt sich leben

In diesem traulich süßen Erdenneste!

 

 

 

XL

 

Sie küßten mich mit ihren falschen Lippen,

Sie haben mir kredenzt den Saft der Reben,

Und haben mich dabei mit Gift vergeben –

Das taten mir die Magen und die Sippen.

 

Es schmilzt das Fleisch von meinen armen Rippen

Ich kann mich nicht vom Siechbett mehr erheben;

Arglistig stahlen sie mein junges Leben –

Das taten mir die Magen und die Sippen.

 

Ich bin ein Christ – wie es im Kirchenbuche

Bescheinigt steht – deshalb bevor ich sterbe,

Will ich euch fromm und brüderlich verzeihen.

 

Es wird mir sauer – ach! mit einem Fluche

Möchte’ ich weit lieber euch vermaledeien:

Daß euch der Herr verdamme und verderbe!